Roulettegeschichte
Die Roulette ist sozusagen die Präzisionsmaschine des Zufalls. Die Feinmechaniker waren am Werke, als es galt, die Roulettemaschine zu schaffen. Wer die Roulette erfunden hat und wann sie erfunden worden ist, entzieht sich unserer Kenntnis. Im 17. Jahrhundert taucht sie in Italien auf und später im Hotel de Gieves in Paris, wo durch ein Verbot Ludwig XV. ihrer Zugkraft bald ein Ende gemacht wurde. Von allen europäischen Staaten in Acht und Bann getan, findet die teuflische Maschine schließlich ein Asyl im Fürstentum Monaco.
Man kann vom Roulettespiel nicht sprechen, ohne an Monte Carlo zu denken, das Eldorado der Roulette. Der Spielbank von Monte Carlo und ihrem Gründer Francois Blanc gebührt der Ruhm, das geniale Spiel zu seiner höchsten Vollendung entwickelt zu haben. Das traumhaft schöne Zauberreich der Riviera verdankt seine Weltberühmtheit der Fee Roulette.
Um die Mitte des vorigen Jahrhunderts war die Riviera bereits wegen ihrer landschaftlichen Schönheit und ihrer klimatischen Vorzüge das Reiseziel zahlreicher vermögender Leute, die hier Erholung und Unterhaltung suchten. Mentone, Nizza, Cannes begannen als Kurorte aufzublühen. Spekulative Köpfe erkannten bald, daß das Fürstentum Monaco dank seiner Unabhängigkeit eine sehr geeignete Stätte für eine Spielbank sein müßte, die den vielen reichen Müßiggängern der benachbarten luxuriösen Kurorte eine willkommene Zerstreuung und einen angenehmen Nervenkitzel bieten könnte.
Der damalige Fürst von Monaco, Florestan I., war einem solchen Projekt umso eher zugänglich, als er in der Gründung einer Spielbank die einzige Möglichkeit sah, seinen zerrütteten Finanzen auf die Beine zu helfen. Ehe aber noch die Konzessionserteilung zum Abschluß kam, ereilte ihn 1856 der Tod. Fürst Charles III. setzte die Verhandlungen mit dem Finanzkonsortium fort und verpachtete die Konzession wenige Monate später den Franzosen Langlois und Aubert für eine Summe von 40 000 Fr. jährlich.
In einer bescheidenen Villa, die von da ab den klangvollen Namen “Palais de la Condamine” führte, setzten die Pächter die erste Roulette in Betrieb. Aber die Zahl der Spieler war gering. Die wenigen Einsätze, die gemacht wurden, verschwanden allzuoft in der Kasse der Bank. Ohne einen Massenbetrieb sind nämlich die Vorteile der Bank zu augenfällig, daher verliefen sich die wenigen Spieler sehr schnell. Die Pächter wechselten noch mehrfach, aber keiner konnte den erhofften Erfolg für sich buchen.
Endlich, es war im Jahre 1863, trat Francois Blanc auf den Plan. Zehn Jahre lang hatte er die Spielbank von Homburg mit Erfolg betrieben und ein Vermögen erworben. Mit einem Aktienkapital von 15 Millionen Francs begründete er die “Societe anonyme des Bains de Mer et des Etrangers”, ohne auch nur eine einzige Aktie in fremden Besitz übergehen zu lassen. Der Ausbau der Bahnlinie Nizza – Monte Carlo, den Blanc mit aller Energie und großen Geldopfern förderte, beweist aufs beste den Weitblick dieses großzügigen Finanzmannes und Organisators. Nicht weniger wichtig für seinen Erfolg war die zauberhafte bauliche und gartenarchitektonische Gestaltung des neuen Casinos und seiner Umgebung. Wenn diese auch unserem heutigen Geschmack nicht mehr entspricht, für die damalige Zeit war es eine Sensation.
Niemand hätte in dem unscheinbaren kleinen Bürger, der tagtäglich in den frühen Morgenstunden in das Casino eilte, den genialen Begründer und zielbewußten Leiter der Spielbank von Monte Carlo vermutet. Immer wieder wurde der verhaßte Pächter der Spielbank in den Zeitungen aufs wütendste angegriffen, aber das ließ ihn kalt. Er vertrat den Standpunkt, daß das Hasardspiel, wie es in seinem Casino betrieben wurde, durchaus nicht unmoralischer sei, als das staatlich konzessionierte Börsenspiel und daß auch die “Provision”, die die Spielbank einstreife, nicht höher sei, als die Bankspesen bei einem Ultimogeschäft. Keiner seiner Klienten sei jemals um einen Sou betrogen worden. Und dann, der alte Blanc kannte seine Kunden. Wurde ihm gemeldet, daß ein vom Glück begünstigter Spieler die Bank gesprengt habe, so pflegte er mit einem Achselzucken zu sagen, ohne sich aus der Ruhe bringen zu lassen: “Das macht nichts, morgen wird er wieder spielen und verlieren”.
Wie groß die Chancen der Bank im Verhältnis zu jener der Spieler sind, geht am besten aus folgendem Exempel hervor:
Nehmen wir an. ein Spieler setzt auf alle 36 Nummern und auf Zero je 100 Frcs. Er hat also 3700 Frcs. gesetzt. Logischerweise muß eine von den 37 Chancen kommen. Ausbezahlt erhält er das 35fache und seinen Einsatz = 3600 Frcs. Er hat also immer noch 100 Frcs verloren.
Bezeichnend ist das von Blanc selbst geprägte Wortspiel: “Rouge gagne souvent, Noir gagne quelquefois, mais c’est Blanc, qui gagne toujours”. (Rot gewinnt oft. Schwarz gewinnt manchmal, aber Weiß gewinnt immer.) Er hatte recht, denn er hinterließ seinen Erben ein Vermögen von 80 Millionen Francs.